Hotelpraktikum Costa Rica- Zwischen Gruppenzwang und Fernweh

TEIL 2 - Hotelpraktikum in Costa Rica oder Urlaub im Paradies? Oder beides?

Costa Rica, das fand ich ja schon immer interessant. Ein kleines Land mit viel Natur, weit genug weg von Zuhause um einmal alles zurück zu lassen, aber dennoch entwickelt genug um das Leitungswasser vorm Trinken nicht noch mal kochen zu müssen. Und Hotellerie? Neben Tourismus und Gastronomie auch ein Bereich, der mich schon lange interessiert. Mit viel Geduld und Google landete ich also nach ein paar Tagen Recherche auf der deutschen Homepage eines costaricanischen Hotels und siehe da, dort gab es sogar ein Praktikumsangebot. Nach mehrmaligem E-Mail Austausch mit Bewerbungsunterlagen und aktuellem Foto im Anhang, war also klar, Rainer, der deutsche Hotelbesitzer, braucht eine Praktikantin und ich könnte die Auserwählte sein. Wenn ich ihm also nun mein Flugticket schicken würde, sozusagen als Bestätigung, dann wäre die Sache für ihn klar. Wow! Ich kann’s noch gar nicht glauben. Ich scheine also gerade, kurz vor Beendigung des Studiums, tatsächlich die Zusage für ein Hotelpraktikum in Costa Rica bekommen zu haben. Den Bildern auf der Homepage nach zu urteilen, handelt es sich bei dem Hotel sogar um ein richtiges Idyll. Immer wieder stößt man auf Worte wie individuell, Natur oder Artenvielfalt. Von weißen Sandstränden und leckerem costaricanischen Essen ist die Rede. Dazu kommen Verben wie entspannen, relaxen und verwöhnen. Sollte ich also ein Praktikum im Paradies gebucht haben? Kaum vorstellbar, aber immerhin. Endlich habe auch ich den Schritt gewagt und werde schon bald stolze Besitzerin eines noch interessanteren und moderneren Lebenslaufes sein.

Nach einem gefühlvollen und irgendwie unwirklichen Abschiednehmen im Morgengrauen des Berliner Flughafens Tegel, landete ich also nach etwa 15 Stunden Flug und zwei Zwischenstopps, in der costaricanischen Hauptstadt San Jose. Neben die Dunkelheit und den Regen trat die Tatsache, dass ich, wie sollte es anders sein, zu den wenigen Passagieren zählte, deren Koffer während des Transitfluges verloren gingen. Meine müde Freude über die Ankunft im vermeintlichen Paradies erhielt also sogleich einen Dämpfer.
Nachdem ich dem, zum Glück englischsprachigen, Personal am ¨Baggage Reclaim¨- Schalter meine Problematik, sowie Art und Form meiner Tasche geschildert hatte, fuhr ich mit einem der orangefarbigen Flughafentaxis zum Hotel ¨Coconut House¨, in dem ich die erste Nacht verbringen sollte, bevor es am nächsten Tag mit dem Bus Richtung Pazifikküste ging. Die Fahrt war lang und holprig, die Temperatur erwartungsgemäß hoch und meine Klamotten klebten mir am Leib. Natürlich verkippte ich auch gleich mal einen Becher Kaffee auf meine, für die nächsten drei Tage wohl erstmal einzige, Hose. Während der ganzen Fahrt überlegte ich, zusammen mit meinem guten Freund und ständigen Begleiter Konjunktiv, was wohl wäre wenn Rainer mich gar nicht am vereinbarten Treffpunkt abholen kommen würde. Vom Phänotyp her zu urteilen, hätte er sehr wohl der verpeilte, unorganisierte Aussteiger sein können, für den ich ihn zuerst gehalten hatte.
Meine Sorgen waren jedoch unbegründet, denn er war da. Zusammen mit Hund Benni. Ein unzertrennliches Paar wie sich noch herausstellen sollte. Mit seinem zebrafarbenen Jeep fuhren wir zusammen Richtung Hotel, wo mehrere Gäste auf der Veranda saßen und über die Ankunft der neuen Praktikantin anscheinend bereits bestens unterrichtet waren. Erschöpft, verschwitzt und mit Kaffeefleck auf der hellbeigen Hose saß ich also erstmal da und versuchte einen möglichst sympathischen Eindruck zu machen.

Das Hotel sah tatsächlich genauso aus wie auf den Fotos im Internet. Die Sonne schien, alles war grün und von überall her waren Geräusche von Tieren zu hören. Zumindest seinem Namen ¨Paraiso del Cocodrilo¨ schien das Hotel also schon mal gerecht zu werden.
Dank Britta und Ramona, zwei Gäste die zu einer dreiköpfigen Abenteuergruppe gehörten, konnte ich zumindest meine Kaffeefleckenhose gegen einen Rock und mein ebenso versifftes T-Shirt gegen ein neues, saubereres eintauschen. Duschen konnte ich bei Rainer, der eines der Apartments bewohnt.
Kaum geduscht, sollte ich das Abenteuerteam zu einer Canopy- Tour begleiten. Canopy, das heißt man seilt sich gut gesichert von Plattform zu Plattform durch den Dschungel. Ich wusste zwar um meine Aufgabe ¨Tourbegleitung¨, aber dass ich gleich am ersten Tag in den Genuss einer solchen Abenteuers, das, wie ich im Nachhinein erfuhr, 50 Dollar pro Person kostete, kommen durfte, damit hatte ich nicht gerechnet. Die Tatsache, dass Britta, Ramona und Hagen, der dritte im Bunde, alle etwa um die 30 waren und dazu noch ganz unterhaltsam, half mir sehr, die ersten Tage in der Fremde gut und ohne Heimweh zu überstehen. Auch Rainer, der Hotelchef, machte auf mich einen sehr lockeren und erwartungsgemäß unkonventionellen Eindruck, worüber ich sehr erleichtert war, denn schließlich werde ich, wenn alles gut läuft, zusammen mit dieser Person die nächsten drei Monate verbringen. Neben dem Abenteuerteam war noch eine weitere Familie mit Kind zu Gast im Hotel. Mein Aufgabenbereich erstreckte sich also zunächst mal auf das Aufnehmen von Essensbestellungen, das Servieren von Gerichten, sowie das Ausschenken von meist alkoholischen Getränken. Außerdem war meine Hauptaufgabe vor allem die Kommunikation und Konversation mit den meist deutschsprachigen Gästen.

Rainer, so erfuhr ich nach und nach, hatte das Hotel vor gut 18 Jahren selbst aufgebaut, nachdem er sich entschieden hatte, Deutschland den Rücken zu kehren und nach Costa Rica auszuwandern. Ein Freund von Regeln und Vorschriften schien er nicht zu sein, denn auf jede Frage nach meinem eigentlichen Arbeitsbereich oder meinen Arbeitszeiten bekam ich, statt einer konkreten Auskunft, meist nur Worte wie flexibel, spontan, morgen oder später zu hören. Das mag nun aufs Erste nach einem unkomplizierten und lockeren Arbeitsverhältnis klingen, für mich jedoch, die ich frisch aus dem bürokratischen, auf Zeiten, Gesetzen und Regelungen basierenden Deutschland kam, war dies durchaus erstmal eine schwierige und gewöhnungsbedürftige Ausgangsituation. Da ich ja im Hotel wohnte und auch aß, war ich praktisch immer anwesend und somit auch immer im Dienst. Sehr viel Personal neben mir gab es außerdem nicht. Dazu kam, dass sich das Hotel in einer sehr abgelegenen Gegend befindet. Mal eben in die Stadt gehen, andere Leute treffen oder etwas unternehmen gestaltete sich als eher schwierig.
Dennoch, all die Ungeregeltheiten und die daraus resultierende Unsicherheit und auch Unzufriedenheit wurden letztendlich durch die vielzähligen Erlebnisse und Abenteuer, die ich während dieses Praktikums machen durfte, wieder ausgeglichen. Mein Verdacht möglicherweise ein Praktikum im Paradies gebucht zu haben, schien sich von Woche zu Woche immer mehr zu bestätigen.

Nachdem die ersten Gäste abgereist waren und wegen der Regenzeit auch erstmal keine neuen ankamen, arbeiteten Rainer und ich meist den ganzen Vormittag am PC. Das hieß also die Homepage des Hotels aktualisieren, Artikel umschreiben, verbessern, aktualisieren, verlinken und übersetzen, sowie twittern und dergleichen, um das Hotel bei der Google- Suche möglichst weit nach oben zu katapultieren.
Diese PC- Arbeit gestaltete sich mitunter als durchaus nervenaufreibend und anstrengend, war ich doch mit Rainer, was bestimmte Formulierungen anging, nicht immer derselben Meinung, was des Öfteren zu hitzigen Diskussionen führte. All das war jedoch vergessen, wenn wir gegen Nachmittag nach getaner Arbeit mit dem Motorrad zum Strand fuhren. Und der Strand war wirklich ein weißer Traumstrand und er hatte auch tatsächlich den besagten Wasserfall, genau wie auf der Homepage beschrieben. Neben der Arbeit verbrachten wir also viel Zeit am Strand, spielten Beach- Tennis oder fuhren zum Einkaufen ins benachbarte Samara oder Nicoya, was, schon allein aufgrund der Straßenverhältnisse, auch immer ein Erlebnis für sich war. Waren Gäste im Hotel, so fuhren wir mit diesen meist zu benachbarten Stränden, zeigten Ihnen den ein oder anderen Wasserfall der Umgebung, gingen lecker Ceviche essen (klein geschnittener, roher Fisch in Limettensaft) oder fuhren sogar zum drei Stunden entfernten Nationalpark Rincon de la Vieja und wanderten dort zwei Stunden lang durch den Dschungel.

Das Paraiso del Cocodrilo, oder besser gesagt, Rainer, bietet die verschiedensten Touren und Ausflüge an. Zum Beispiel kann man eine Kaffeeplantage in der Nähe besuchen, eine Bootstour auf dem Rio Tempisque machen und sich dort die Krokodile angucken oder Delphine in freier Wildbahn beobachten. Am benachbarten Strand Buena Vista gibt es außerdem ein Schildkröten- Schutzprojekt, in dem sich Freiwillige aus aller Welt um die Meeresreptilien und ihre Eier kümmern. So abgelegen und einsam das Hotel also auch gelegen ist und so wenig Gäste wir während der Zeit meines Praktikums hatten, muss ich im Nachhinein doch mit Erstaunen feststellen, dass mir zu keinem Zeitpunkt langweilig gewesen war. Ganz im Gegenteil. Ich war froh um jede Minute die ich einmal ganz für mich allein hatte. Schließlich wollte und sollte ich auch den Kontakt zu Freund und Familie via Mail und Skype aufrechterhalten und in regelmäßigen Abständen von meinem Wohlbefinden Bericht erstatten.
Bereits nach zwei Wochen Praktikum begann ich außerdem einen Spanisch- Sprachkurs gleich in der Nähe, wo ich mich nicht nur mit der einheimischen Lehrerin anfreundete, sondern auch in wirklich wunderbarer Atmosphäre, mit Blick aufs Meer, meine Spanischkenntnisse verbessern konnte.

Schon sehr bald merkte ich, dass es sich bei meinem Hotelpraktikum in Costa Rica, so konventionell dies erstmal klingen mag, um ein Praktikum der besonderen Art handelte. Ich war hier in keinem Touristenbunker gelandet, in dem ich, freundlich lächelnd, in irgendeiner gänzlich unbequemen Arbeitskleidung, unsympathischen Pauschalurlaubern in den Arsch kriechen musste. Ganz im Gegenteil. Der Ort an dem ich mich befand war ein Naturparadies, ein Idyll, ein Platz an dem ich, aufgrund der doch gehobeneren Preisklasse des Hotels, wohl niemals geträumt hätte, Urlaub zu machen. Die Menschen die hierher kamen, kamen meist auf Empfehlung und waren auf der Suche nach etwas Besonderem. Von dosenbiertrinkenden, gröhlenden Abiturabschlussfahrtteilnehmern mit All- Inclusive Bändchen also weit und breit keine Spur.
Hier strandeten Leute die sich abends ganz spontan zu einer Musiksession zusammenfanden, die etwas zu erzählen hatten, die unterhaltsam waren und die die Schönheit des Ortes an dem sie sich befanden, zu schätzen wussten. Hier trafen Naturliebhaber aus Frankreich mit Hobbyfotografen aus Österreich zusammen. Unterhielten sich Hollywoodregisseure und pensionierte Ärzte aus Bayern alle an einem Tisch und alle auf der Suche nach Natur, Ruhe und einem ganz individuellen Ambiente.
Zwar sprach ich während meines Praktikums zumeist deutsch, dennoch konnte ich meine Spanischkenntnisse durch die Konversation mit dem einheimischen Küchen und Servicepersonal verbessern. Zudem hatten wir Gäste aus Wales, den USA, Frankreich, Österreich, den Niederlanden und natürlich auch aus Costa Rica. So wurde ich also auch bezüglich meiner Englisch- und Französischkenntnisse gefordert.

Aber es war nicht nur die geographische Lage des Hotels und die Besonderheit seiner Gäste die dazu beitrugen, dass ich dieses Praktikum als unkonventionell beschreiben würde. Es war auch vor allem das Verhältnis zu Rainer, dem Hotelchef, das weniger einem Arbeits-, als mit der Zeit vielmehr einem freundschaftlichen Verhältnis gleichkam. Abends saßen wir meist zusammen auf der Veranda, aßen frischen Frisch und leckerem Salat, tranken das ein oder andere Glas Rotwein zusammen und führten intensive Gespräche über Gott und die Welt. Nach dem Abendessen schwamm ich oft noch einige Bahnen im Hotelpool, während Rainer fleißig und gut hörbar Saxophon übte.
Bereits kurz nach dem Antritt meines dreimonatigen Praktikums hatte ich verlauten lassen, vor meiner Rückkehr nach Deutschland, noch gerne für eine Woche alleine verreisen zu wollen, um mir auch einen Eindruck von der Karibikküste Costa Ricas oder zumindest eines der beiden Nachbarländer Nicaragua oder Panama machen zu können. Diese Reise sollte zu einer weiteren unvergesslichen und wichtigen Erfahrung werden, die meinen dreimonatigen Aufenthalt in Mittelamerika zusätzlich bereicherte.
Eine Woche Auszeit vom Leben als Praktikantin, das hieß auch eine Woche Kontrastprogramm. Eine Woche ohne warme Dusche, ohne saubere Bettlaken, frische Kleidung, gutes Essen und Co. Eine Woche Backpacker- Leben eben. Kein Luxus, dafür aber jede Menge Gleichgesinnte und junge Menschen aus der ganzen Welt, auf der Suche nach neuen Erfahrungen. Dazu kam ein gewisses Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit, dass sich nicht nur durch den Cuba Libre zum Frühstück bemerkbar machte.

Alles in allem war die Entscheidung ein Hotelpraktikum hier in Costa Rica zu machen, wohl eine der bisher besten in meinem Leben. Die Arbeit als Praktikantin hatte außerdem, wider Erwarten, weit mehr mit meinem Studium zu tun als angenommen. Kommunikation und Konversation in drei bis vier unterschiedlichen Sprachen, Übersetzung von deutschen Texten ins Englische, sowie das Schreiben weiterer Artikel und die Pflege der Onlinepräsenz des Hotels, entsprachen doch so in etwa dem was mich auch in meinem Studium die letzten Jahre beschäftigt hatte. Diese Arbeit kombinieren zu können, mit Sonne, Strand und Piña Colada war schlussendlich wohl mehr als ein Glücksgriff und lässt mich in Zukunft mit Recht behaupten, ein Praktikum im Paradies gemacht zu haben.

Heidi Süß

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